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Werner Winkler's Lösungssammlung:
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Praxisbeispiel: Mehmed wuchs in Syrien auf und wurde selbstverständlich als Moslem erzogen. Seine Liebe galt einem Sufi-Orden; er konnte die Verse von Rumi auswendig und wäre vielleicht sogar selbst Mönch geworden, hätte ihn nicht ein Onkel zu Geschäften nach London geschickt. Dort lernte er nicht nur seine spätere Frau Leila kennen, sondern mit ihr und ihren Freunden viele ihm bisher unbekannte religiöse Vorstellungen. Zuerst verwirrte ihn diese Vielfalt. Denn er erkannte, dass seine Vorurteile gegenüber den 'Ungläubigen' haltlos waren und er viele Menschen traf, mit denen er sich über die spirituellen Traditionen hinweg geistesverwandt fühlte. Er schrieb regelmäßig lange Briefe an seinem Lehrmeister in Damaskus. Dieser gab ihm das Gleichnis zur Meditation: "Wolken, Eis und Flüsse sind Geschwister für den, der weiß, wie Wasser schmeckt." Er las bei Wittgenstein und Glasersfeld über Konstruktivismus und fand nach anfänglicher Erschütterung seines bis dahin immer noch sehr dogmatischen Weltbildes eine für ihn tragbare Sichtweise: Die Wahrheit und Weisheit, die ihm im Islam begegnete erlitt keinen Abbruch dadurch, dass er selbst hin und wieder aus einem anderen Blickwinkel auf die Welt sah. Bald erlaubte er sich, stets die Perspektive einzunehmen, die seinem Herzen am nächsten und der Situation am Angemessensten schien. Kam er mit anderen ins Gespräch über existenzielle Dinge, interessierte ihn mehr deren Sicht und Erfahrung als dass er ständig Vergleiche mit seiner Kindheitsreligion anstellte. Fragte man ihn fünf Jahre nach seiner Übersiedlung nach Großbritannien nach seiner Religion, antwortete er mit einem Augenzwinkern: "Ich bin Metariker", was zugegebenermaßen nur wenige auf Anhieb verstanden.
Beschreibung: Die Einnahme einer Meta-Position bedeutet: alles, was auf eine Situation Einfluss nimmt, aus einer Perspektive zu betrachten, die selbst nicht Teil der Situation ist. Wenn ich z.B. über Farben rede, meine ich damit potentiell alle Farben - keine ist ausgeschlossen. Das ist eine Meta-Position. Leider gelingt das im Hinblick auf die Lösung von Alltagsproblemen relativ selten, es kann aber durchaus geübt werden und mit der Zeit fast schon zur Gewohnheit werden.Ganz entscheidend für die Fähigkeit zur Einnahme einer außenstehenden Position ist jedoch die Kenntnis um die Vorgänge, die zur Entstehung unserer subjektiven Wirklichkeit führen. Nicht jeder Mensch kommt wie Mehmed dazu, seine einmal angenommene Weltsicht so radikal in Frage zu stellen. Die meisten bleiben bei ihrer gewohnten Denkweise (nicht nur in religiöser oder philosofischer Sicht) und sitzen dem Irrtum auf, damit die Wahrheit über die Welt zu wissen. Eine für viele Denker angemessene Sicht im Umgang mit der Wirklichkeit ist folgende Meta-Position: In Sprache oder Symbolen kann man gar nicht 'die Wahrheit' wiedergeben; denn jeder Hörer des Gesagten bzw. Betrachter von Bildern nimmt nur das wahr, was sich mit seinem vertrauten Erfahrungsschatz deckt. Kommunikation ist stets nur das, was ankommt - und damit unterliegt jede Vermittlung von Erfahrung oder Wissen einem Umwandlungsprozess im Gehirn des 'Empfängers', auf den der 'Sender' letztlich kaum Einfluss hat. Die Konsequenz ist, dass es unendlich viele Wirklichkeitsan-sichten gibt und es wie ein Wunder erscheint, dass Menschen sich trotzdem irgendwie verständigen können. Es bedeutet aber auch, dass Aussagen im Bereich der Psyche, des subjektiven Empfindens, der Religion oder Philosofie etc. (d.h. alles, was nicht greifbar ist) niemals die Wahrheit, sondern stets nur eine mögliche Wahrheit darstellen. Insofern spricht auch nichts dagegen, die Dinge so zu sehen, wie sie einem passend erscheinen. Und es wird möglich, vollkommen verschiedenartige oder sogar sich widersprechende Sichtweisen zu nutzen - bzw. sie bei anderen zu respektieren oder zu tolerieren. Eine Meta-Position erlaubt etwas, was man als "Patchwork-Wahrheit" bezeichnen könnte. Jeder kann sich so stets neu sein persönliches Mosaik zusammenstellen und auch Teile aus insgesamt vielleicht unakzeptablen Gedankengebäuden herausnehmen und in die eigene Gedankenwelt integrieren. Am obigen Beispiel von Mehmed wird das relativ deutlich; was ihm gelang, nämlich eine lebbare und bereichernde Haltung auch in ernsten Fragen einzunehmen, soll noch an einem weiteren konkreten Beispiel beschrieben werden: Mehmeds Frau Leila stammt von einer anthroposophisch erzogenen Mutter und einem jüdischen Vater ab. So kam sie bereits früh mit unterschiedlichen Ansichten in Kontakt, zum Beispiel über das Thema der Seelenwanderung. Während es für ihre Mutter keine Frage war, dass es so etwas gibt, kannte der Vater keinen derartigen Gedanken aus der Thora. Was Leila an der ihr sonst sympathischen Darstellung ihrer Mutter störte, war die starke Rolle des "Karmas" - es wollte ihr nicht in den Kopf, dass es einen übergeordneten Schiedsrichter geben solle, der entschied, als welches Wesen man erneut auf die Welt käme. Beim Vater fand sie dafür Verständnis; er lachte auch wohlwollend über ihre Idee, dass man nach einem Leben vielleicht selbst entscheiden könne, ob, wann und als was man wieder geboren werden wolle. Ihre Mutter fand das nicht lustig, wobei sie meinte, "wäre es tatsächlich so, könnte ich mich direkt damit anfreunden." Mehmed gefiel diese Aussicht, denn in seinem Kinderglauben bestand das Leben ebenfalls nur aus einem einzigen Durchgang, was ihn oft beängstigt hatte. Er erweiterte Leilas Gedanken noch darum, dass womöglich alle Wesen nur Ausgeburten der Fantasie eines einzigen schöpferischen Geistes wären, der sich ständig neu zur Welt brachte und eine Art Schauspiel oder Theater aufführte, an dem er seinen Spaß hatte. Dazu passte nur nicht die Vorstellung eines fehlerfreien Schöpfers, denn dafür war die Welt offensichtlich zu unperfekt. Doch auch hier fand er bald eine hilfreiche Ergänzung: im Radio hörte er ein Lied mit der Zeile "what if God was one of us" (was, wenn Gott einer von uns wäre?). Das brachte ihn auf die Idee, dass der oder die 'Erfinder' des Universums womöglich noch am Probieren war/en (wie Kinder im Sandkasten); tatsächlich schien ihm der Fortschritt in der Evolution gewaltig und das Ergebnis relativ beeindruckend. Wenn es in dieser Weise weiterginge, käme vielleicht am Ende doch noch etwas ganz Brauchbares heraus? Seinem Lehrmeister in Syrien schrieb er aber davon zunächst lieber nichts ...
Übung: Wenn Sie mögen, tragen Sie einmal alles Nützliche an Weltsichten zusammen, das Ihnen bisher begegnet ist.
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