Werner Winkler's Lösungssammlung:
Lösungs-Werkzeuge
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Praxisbeispiel:
Daniel gehört zu der Sorte Mensch, die vor Kraft kaum laufen können - nicht nur in körperlicher Hinsicht, auch mit seiner Ausstrahlung ist er den meisten an Power ein gutes Stück voraus. Seine Mutter dagegen ist eine stille, unscheinbare und tiefgründige Person. Wenn Daniel zu Besuch kommt, wird sie noch stiller und scheint sich in Luft aufzulösen. Sie hat es sich weitgehend abgewöhnt, ihrem Sohn zu erzählen, was sie bedrückt. Mit seinen kraftvollen Sprüchen konnte sie nie etwas anfangen.
Als ihn eine Freundin mit in die Volkshochschule schleppte und er von verschiedenen Persönlichkeitstypen hörte, wurde ihm etwas klar: stets hatte er seine Mutter 'überholt' und ihr keine Entfaltungsmöglichkeit gelassen. Er wollte ausprobieren, was geschähe, wenn er sich mehr auf ihr Schritttempo einlassen würde. Da die Mutter beim nächsten Besuch mit einer Grippe im Bett lag, fiel sein ungewöhnliches Verhalten nicht weiter auf. Er ließ sie ausreden, ermutigte sie durch kurze Silben zum Weitersprechen und nahm seine ausholende Gestik so weit als möglich zurück. Auch machte er keinerlei Vorschläge, was gegen die Grippe zu tun sei. Noch nie hatte er seine Mutter so ausführlich reden hören; auch wusste er gar nicht, welchen Erfahrungsschatz im Umgang mit Krankheiten sie im Laufe der Jahre angesammelt hatte ...
Beschreibung:
Keinem Kutscher würde es einfallen, auf ebener Strecke vor den Pferden herzugehen und sie hinter sich her zu ziehen. So ähnlich versuchen es aber manche mit ihren (langsameren) Zeitgenossen - meist mit wenig Erfolg.
Der Psychotherapie-Entwickler Dietmar Friedmann entdeckte, dass sich ein bestimmter Persönlichkeitstyp nur dann wirklich entfalten kann, wenn er vor sich genügend Platz (d.h. Zeit) sieht. Für die von Friedmann entwickelte Form der Kurztherapie gilt daher die Anweisung, mit solchen Menschen besonders vorsichtig und behutsam vorzugehen - sie nicht zu 'überholen', sondern 'dahinterzubleiben'. Neben der verbalen Zurückhaltung dreht es sich hierbei vor allem um eine Frage der inneren Haltung. Bringt man zuviel Energie in ein Lösungsgespräch, wird dieser Typ dem anderen sofort das Feld überlassen. Das hindert ihn natürlich, die eigenen Ziele zu formulieren und sich seiner vorhandenen Ressourcen bewusst zu werden.
In diesem Fall sind Ratschläge wirklich Schläge - wie das Sprichwort sagt. Neben wohlgemeinten Ideen sollte man sich auch aufdringlicher Gestik und allzu deutlicher Worte enthalten. 'Dahinterbleiben' meint, noch hinter der (scheinbaren) Energielosigkeit des Gegenübers zurückzubleiben. Als eine geeignete Haltung hat sich hierbei eine Art 'Beobachterrolle' oder das neugierige und beharrliche Warten (wie ein Detektiv) auf kleinste Hinweise (in Richtung einer Lösungsmöglichkeit) bewährt. Falls sich Ihr Gesprächspartner zu sehr in die Problemerzählung verwickeln sollte, können Sie ihn nach seinem Ziel in dieser Sache fragen. Obwohl scheinbar eine aktive Intervention beinhaltet die Zielfrage doch das 'Dahinterbleiben', weil der andere nach der Richtung gefragt wird, in der er sich bewegen will. Dabei folgen wir ihm dann in respektvollem Abstand.
Übung:
Sicher kennen Sie in Ihrer Umgebung einige dieser zurückhaltenden und tiefgründigen Menschen, die von der Psychographie als "Sachtypen" bezeichnet werden. Eine typische Eigenart dieser Persönlichkeitstypen ist, sich nur schwer entscheiden zu können - besonders, wenn sie im Ergebnis "Nein" sagen müssten. In einer solchen Situation können Sie üben, sich ebenfalls zurückzuhalten, nicht mit der Entscheidung zu drängeln oder sie dem anderen abzunehmen. Ahmen Sie einfach das Verhalten des Gegenübers nach und beobachten Sie, was geschieht.
Bleiben Sie so lange wie möglich 'hinter' ihm - auch wenn er anfängt, sich zu bewegen.